Iwata fragt: Mario Kart Wii

Iwata fragt: Mario Kart Wii

Alles fing mit einem Typen in Latzhosen an

Iwata:
Heute befrage ich drei Personen, die für die Entwicklung des Spiels "Mario Kart Wii" verantwortlich zeichnen. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Mario Kart-Spiele veröffentlicht, diese Version ist bereits die sechste der Serie. "Super Mario Kart"1, der erste Teil der Serie, wurde bereits vor 16 Jahren, also 1992, veröffentlicht. Obwohl mich damals meine Arbeit bei Hal Laboratory so sehr beanspruchte, dass ich es kaum nach Hause schaffte, kann ich mich genau an den Tag erinnern, an dem das Spiel veröffentlicht wurde. Ich ging in ein Geschäft, kaufte mir das Spiel und nahm mir die Zeit, es zu spielen. Am besten beginnen wir, indem sich Konno-san selbst den Lesern vorstellt.
1 Super Mario Kart: Das erste Spiel aus der Mario Kart-Serie. Veröffentlicht 1992 in Europa für das Super Nintendo Entertainment System.
Konno:
Hallo, ich bin Konno von der Softwareentwicklungsabteilung, der "Entertainment Analysis and Development Division". Ich habe als Produzent von "Mario Kart Wii" gearbeitet.
Iwata:
Konno-san hat seit NES-Zeiten Spiele entwickelt, aber dies ist sein erster Auftritt bei "Iwata fragt".
Konno:
Ich bin ganz schön nervös. (lacht)
Iwata:
Kaum zu glauben, dass Sie hier noch nie aufgetaucht sind. Dann haben wir hier noch Ashida-san. Das letzte Mal haben wir uns bei den Wii-Hardware-Treffen für die Interviews von "Iwata fragt" gesehen.
Ashida:
Genau. Ich bin Ashida von der Abteilung für Produktentwicklung, der "Integrated Research and Development Division". Ich fungierte als Projektleiter bei der Entwicklung des Wii Wheel™.
Iwata:
Miyamoto-san ist ebenfalls bei uns.
Miyamoto:
Hm... ich stehe nicht in den Credits für diesen Titel, darf ich trotzdem mitmachen?
Alle:
(lachen)
Iwata:
Sind Sie nicht ganz oben als General Producer aufgeführt?
Miyamoto:
Wenn ich als General Producer aufgeführt werde, heißt das für gewöhnlich, dass ich kaum meinen Mund aufgemacht habe, um mich am Entwicklungsprozess zu beteiligen. Dieses Mal war es mir jedoch möglich, ein wenig Input zu neuen Spielaspekten wie dem Wii Wheel und den Rennen über die Nintendo Wi-Fi Connection beizutragen.
Konno:
Also bei diesen Beiträgen können wir ja wohl kaum von „geringfügig“ reden! (lacht)
Iwata:
Konno-san, wie lang sind Sie der Mario Kart-Serie schon treu?
Konno:
Von Anfang an, also seit dem ersten Spiel. Ich hab an den drei Spielen für Super NES, Nintendo 64 und Nintendo DS gearbeitet.
Iwata:
An den Spielen für den Game Boy Advance und den GameCube haben Sie also nicht gearbeitet?
Konno:
Bei diesen Titeln habe ich lediglich als Berater fungiert, war also nicht an der eigentlichen Entwicklung beteiligt.
Iwata:
Welche Position hatten Sie bei der Entwicklung des ersten Spiels inne?
Konno:
Zusammen mit einem anderen Kollegen habe ich als Direktor an diesem Titel gearbeitet.
Iwata:
Als das erste Spiel für das Super NES herausgekommen ist, hatte das einen großen Einfluss auf mich. Wie ich bereits zuvor erwähnt habe, obwohl ich zu der Zeit eigentlich nicht Videospiele hätte spielen sollen, bin ich rausgerannt und habe mir eines am Erscheinungstag gekauft! (lacht)
Konno:
Danke, dass Sie eines gekauft haben.
Miyamoto:
Zu der Zeit haben Angestellte von Nintendo HAL Laboratory mit neuester, aufregender Technik assoziiert. Nintendo galt als Entwickler konstant guter Produkte. Ungefähr zu der Zeit, als wir das Super NES auf den Markt brachten, sind eine Menge brillanter Programmierer zu Nintendo gekommen. So waren wir in der Lage, Spiele wie "F-Zero"2 auch eigenständig auf die Beine zu stellen.
2 F-Zero: Rennspiel, das in der nahen Zukunft stattfindet. Im Juni 1992 in Europa erschienen.
Iwata:
Bei HAL Laboratory haben wir auch mal alles stehen und liegen lassen, um uns in den Zeitrennen zu messen, als "F-Zero" herausgekommen ist. Vielleicht lag es daran, dass ich mal für die Entwicklung eines Formel 1-Spiels bei HAL Laboratory verantwortlich war, dass diese Art von Spielen eine solche Anziehungskraft auf mich hatte.
Miyamoto:
Iwata-san, haben Sie Mario Kart am Erscheinungstag gekauft, um den Programmcode unter die Lupe zu nehmen? (lacht)
Iwata:
(lacht)
Konno:
Die Entwicklung von "Super Mario Kart" begann ursprünglich mit der Idee, ein Rennspiel für zwei Spieler im Gegensatz zum Einzelspieler-Modus von "F-Zero" zu konzipieren.
Miyamoto:
Nur, damit keine Unklarheiten aufkommen, sollte ich betonen, dass wir nicht das Ziel hatten, einen Zwei-Spieler-Klon von "F-Zero" zu machen. Von Anfang an wollten wir ein Spiel entwickeln, dass das Spielgeschehen für zwei Spieler auf einen einzigen Bildschirm bringt.
Konno:
Es wäre unmöglich gewesen, die hohen Geschwindigkeiten von "F-Zero" für mehr als einen Spieler authentisch umzusetzen.
Iwata:
Warum haben Sie sich für Mario entschieden?
Konno:
Nun ja, schon im ersten Prototyp des Spiels saß ein Typ in Latzhosen im Kart.
Iwata:
Moment mal! Das müssen Sie näher erläutern. Haben Sie gerade einen Typen in Latzhosen erwähnt?
Konno:
Klingt ganz nach Mario, nicht wahr? Aber es war keineswegs so, dass ich vergessen habe, Marios Oberlippenbart zu zeichnen... (lacht)
Miyamoto:
In "F-Zero" waren die Charaktere sieben Köpfe groß, aber für "Super Mario Kart" haben wir uns entschieden, sie drei Köpfe hoch zu machen, um ihr Design an die Karts anzupassen.
Iwata:
Wie lang hat es gedauert, bis Mario in den Karts aufgetaucht ist?
Konno:
Circa drei bis vier Monate nach Beginn der Entwicklung, als wir einen Prototypen entwickelt hatten, bei dem zwei Karts gleichzeitig gefahren sind.
Miyamoto:
Zu Beginn waren keine Rennen drin, lediglich zwei Karts, die sich frei bewegen konnten. Dann haben wir festgestellt, dass es schön aussieht, wenn ein Fahrzeug anhält, während das andere an ihm vorbei flitzt. Danach wollten wir sehen, wie es aussehen würde, wenn Mario in einem der Karts säße. Das fanden alle noch besser. Wer weiß, vielleicht dachte der Designer, der den Typen in Latzhosen kreiert hatte, von Anfang an Mario! (lacht)
Konno:
Damals gab es das Item Bananenschale nicht. Stattdessen gab es kleine Öldosen. Wenn man sie geworfen hat, spritzte das Öl heraus und die Karts kamen daraufhin ins Schleudern.
Iwata:
Wie kamen Sie zu den Renn- und Wettkampf-Modi?
Konno:
Wir haben uns schon am Anfang entschieden, Rennen einzubauen. Wir dachten aber auch, dass es gut wäre, wenn das Spiel als eine Art Kommunikationsmittel fungieren könnte, bei dem Duelle möglich wären. Hierfür wollten wir mehr als nur einen einfachen Wettbewerb um den höheren Rang und dann hatte jemand die Idee, dass Spieler gegenseitig ihre Ballons zum Platzen bringen könnten.
Iwata:
"Super Mario Kart" wurde von Menschen aus der ganzen Welt gespielt. Als es an der Zeit war, einen Nachfolger für den Nintendo 64 zu entwickeln, was haben Sie sich da vorgestellt
Konno:
Während wir an "Mario Kart 64"3 arbeiteten, war Miyamoto-san im Büro nebenan mit einem Team an "Super Mario 64"4 beschäftigt. Genauso wie sein Team hatten auch wir gehofft, unser Spiel rechtzeitig zur Veröffentlichung der Spielkonsole fertig zu stellen, aber...
3 Mario Kart 64: Das zweite Spiel der Serie. Im Juni 1997 für den Nintendo 64 in Europa veröffentlicht.
4 Super Mario 64: Ein 3D-Actionspiel, das im März 1997 gleichzeitig mit der Nintendo 64-Spielkonsole in Europa auf den Markt kam.
Iwata:
Aber Miyamoto-san musste Sie enttäuschen, weil "Super Mario 64" seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm?
Konno:
Genau! (lacht)
Iwata:
Hat er sich auch Leute von Ihrem Team geschnappt und sie im Mario 64-Team untergebracht?
Konno:
Und wie er das tat! (lacht)
Miyamoto:
Hab ich das wirklich gemacht? (lacht)
Konno:
Also, wir holten uns Unterstützung aus anderen Abteilungen und setzten die Entwicklung fort. Der größte Unterschied zum Super NES-Spiel war die 3D-Grafik. Damals hatte ich noch nicht so viel Ahnung von 3D-Grafik, es war also nicht einfach.
Iwata:
Aber das Software-Design war unheimlich praktisch, nicht wahr? Die Strecken waren in 3D, die Charaktere entstanden hingegen auf virtuellen Zeichenbrettern....
Konno:
Um ehrlich zu sein, ist es im Grunde genommen nicht unmöglich, die Charaktere in 3D darzustellen. Nur hätte das zu einer deutlichen Verlangsamung des Spiels geführt, wodurch Rennen mit acht Charakteren gleichzeitig nicht möglich gewesen wären. Also haben wir zunächst Grafiken aus verschiedenen Winkeln gezeichnet, um die Karts aus verschiedenen Winkeln anzeigen zu können. Dann kamen sie zur Animation auf die Zeichenbretter.
Miyamoto:
Diese Methode mit den Zeichenbrettern ist in unserer Branche unter dem Namen "Billboarding" bekannt. In "Super Mario 64" erscheint auch ein schwarzer Ball. Auch der wurde auf einem flachen Brett gezeichnet, aber egal, aus welchem Winkel man ihn betrachtet, er ist immer dem Spieler zugewandt - er sieht also aus wie eine Sphäre. Die Bob-ombs und Wiggler wurden alle auf Zeichenbrettern entworfen. Deshalb sehen sie auch glänzender aus als Mario, der mittels 3D-Polygonen gezeichnet wurde.
Konno:
Damals, zu Nintendo 64-Zeiten, gab es Speichereinschränkungen. Billboarding war also eine tolle Idee, Speicher zu sparen und insgesamt sparsam mit den Ressourcen umzugehen. (lacht)
Miyamoto:
Aus der Not ist schon so manch tolle Erfindung entstanden. Ich liebe solche Herausforderungen. Da der Speicher begrenzt war, mussten wir uns einen sparsamen Weg ausdenken, Bewegungen authentisch im Spiel darzustellen. Beim Lösen dieses Problems hatte ich sehr viel Spaß.
Konno:
Auch die Wettkämpfe mit vier Spielern in "Mario Kart 64" waren erst durch die Billboarding-Technik möglich.
Iwata:
Damals war ich eher neidisch auf Ihre Kreativität, erst später habe ich sie bewundert. Als das Nintendo 64 herausgekommen ist, sagte Miyamoto-san, die Videospielebranche bewege sich zwar eindeutig in Richtung Online-Gaming, doch bevor es soweit wäre, sollten wir Spiele machen, bei denen vier Freunde in einem Raum gegeneinander spielen können. Der erste Titel für vier Spieler war dann „Mario Kart 64“.

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